19.12.2018

Hardware Know-How

  // 1 Einschaltstrombegrenzung

Enthalten Schaltungen in ihrer Stromversorgung große Kapazitäten, so ist es oftmals sinnvoll oder sogar notwendig den Einschaltstrom aktiv zu begrenzen. Andernfalls fließen beim Einschalten oder Einstecken der Schaltung sehr große Ladeströme, welche einerseits für die Bauteile und Zuleitungen eine große Belastung darstellen und andererseits starke elektromagnetische Störungen verursachen können.

Zur Lösung des Problems findest du in diesem Artikel eine relativ bekannte Schaltung mit P-Kanal MOSFET. Trotz der Einfachheit gibt es in der Implementierung der Schaltung einige Fallen, welche bei Missachtung zu Fehlverhalten und Ausfällen des Geräts führen können. Um die Zuverlässigkeit der Elektronik sicherzustellen, möchte ich deshalb einige Kriterien definieren, welche im Schaltungsdesign abgeprüft werden sollten.

Unsere Einschaltstrombegrenzung wird hier durch T1, C1 und R1 realisiert. CL ist die Lastkapazität, deren Ladestrom begrenzt werden soll. RL repräsentiert eine ohmsche Last durch die nachfolgende Schaltung, wird in der folgenden Betrachtungsweise jedoch vernachlässigt. Mit S1 wird das Gerät eingeschaltet, allerdings muss S1 nicht unbedingt ein Schalter sein. Falls das Gerät direkt beim Einstecken betriebsbereit ist, so stellt das Schließen von S1 hier einfach den Einsteckvorgang dar.

Beim Schließen von S1 ist T1 zunächst noch gesperrt. Über R1 wird seine Gate-Source-Kapazität CGS + C1 aufgeladen, bis die Spannung VGS(th) überschritten wird und T1 langsam einschaltet. Durch Erhöhen von C1 und R1 kann die Einschaltdauer von T1 beliebig verlängert werden und damit CL langsam aufgeladen werden.

Die Messung zeigt die Spannung an CL beim Einschalten. Folgende Komponenten wurden verbaut:
T1 = PMF170XP, C1 = 10 nF und R1 = 1.5 kR.

Alternativ können wir C1 auch parallel zur Drain-Gate-Strecke verschalten.

Die Messung zeigt einen wesentlich lineareren Spannungsanstieg an CL, d.h. der Ladestrom von CL ist gleichförmiger. Im Vergleich dazu ist der Spannungsanstieg in der ersten Variante zu Beginn sehr stark und fällt im Verlauf ab. Dies bedeutet, dass zu Beginn, wenn der Spannung VDS über dem MOSFET maximal ist, dort auch der maximale Strom fließt. Die Maximalbelastung von T1 ist daher in der Konfiguration mit C1 parallel zur Drain-Gate-Strecke geringer, weshalb ich diese Variante bevorzuge.

In Variante 3 sind R2 und D1 hinzugefügt worden. R2 bildet zusammen mit R1 einen Spannungsteiler, wodurch der maximale Wert von VGS am MOSFET kleiner als Vin ist. Dies ist dann notwendig, wenn VGS(max) des MOSFETs unterhalb des maximalen Werts von Vin liegt. Alternativ kann für R2 auch eine Zener-Diode eingebaut werden - ein Widerstand ist aber billiger.

D1 sorgt dafür, dass C1 schneller entladen wird, als dies über R2 und R1 der Fall wäre, sobald S1 geöffnet wird. Nach dem Abschalten des Geräts wird CL über RL entladen. Sobald die Spannung über CL gering genug ist, beginnt D1 zu leiten und C1 wird direkt über RL entladen. Nachdem die Spannung von C1 den Wert VGS(th) des MOSFET unterschreitet, öffnet dieser und kann beim nächsten Einschalten den Strom wie gewünscht erneut begrenzen.

Prellen von S1

Schalter prellen im Regelfall und auch beim Einstecken/Abziehen von Steckern können die Kontakte prellen. Genau hier wird die Schaltung problematisch, da in der Praxis schwer abgeschätzt werden kann, wie der Prellvorgang aussieht. Selbst, wenn ein Schalter beim Test kaum prellt, darf das Prellen nicht unterschätzt werden, da es im Lauf seiner Gebrauchsdauer durch Verschleiß oder unsachgemäße Bedienung zunehmen kann.

Besonders kritisch ist der Ausschaltvorgang! C1 ist hier maximal aufgeladen, so dass T1 vollständig durchgeschaltet ist. Wird nun im Betrieb, unter ggf. hoher Last, abgeschaltet, so wird CL schneller entladen, als C1. Prellt nun S1 zurück und schließt, so ist CL bereits weit entladen, allerdings T1 noch im leitenden Zustand. Die Einschaltstrombegrenzung ist damit wirkungslos und CL wird mit hohem Strom aus der Versorgung nachgeladen.

Dimensionierung des MOSFETs

Beim Laden einer Kapazität C über einen ohmschen Widerstand wird im Widerstand die Energie 0.5 * C * V2 als Verlust in Wärme umgesetzt. In diesem Fall kann der MOSFET T1 als dieser Widerstand betrachtet werden, da dessen RDS im Vergleich zum Widerstand der Zuleitung sehr groß ist. Würden wir T1 sehr schnell einschalten, so wäre dies nicht unbedingt der Fall, da der RDS(on) im Vergleich zu den restlichen Leitungen im System sehr niedrig sein kann. Beim langsamen Einschalten von T1 sollten wir jedoch davon ausgehen, dass in diesem die komplette Verlustenergie umgesetzt wird und sollten T1 entsprechend groß dimensionieren.

Zur Bestimmung der Verlustleistung können wir entweder den Ladestrom von CL direkt messen, z.B. über eine Strommesszange, oder anhand des Spannungsanstiegs du/dt an CL abschätzen. In der obigen Messung beträgt du/dt maximal ca. 1 V / 20 µs = 0.05 V/µs. CL beträgt 25 µF und somit ICL,max = C * du/dt = 25 µF * 0.05 V/µs = 1.25 A.

Wir treffen nun folgende "worst-case"-Vereinfachung:


Damit sehen wir uns die Safe Operating Area (SOA) aus dem Datenblatt von T1 an:

Der Transistor würde unseren "worst-case"-Puls also für 10 ms vertragen. Mit einer Ladezeit von 80 µs sind wir damit in jedem Fall im sicheren Bereich.

Würden wir außerhalb der SOA liegen, so hätten wir zwei Möglichkeiten:
a) Größeren MOSFET (d.h. mit höherer thermischer Masse) wählen
b) Einschaltzeit vergrößern, d.h. C1 oder R1 erhöhen

Achtung: Die Berechnung ist zwar durch die Vereinfachungen sehr konservativ, also mit hoher Reserve, gilt allerdings nur für einen einzelnen Puls! Nach jedem Puls benötigt der MOSFET eine gewisse Erholungszeit, um die Verlustenergie an die Umgebung abgeben zu können. Beim Kontaktprellen ist dies unter Umständen nicht der Fall.

Variante 4

Zusätzlich wird nun R3 eingefügt. Die Idee ist, CL über R3 aufzuladen und die restlichen Komponenten so zu dimensionieren, dass T1 erst dann leitend wird, wenn CL über R3 bereits vollständig aufgeladen ist. T1 kann dadurch ggf. kleiner dimensioniert werden und Prellen von S1 beim Einschalten ist kein Problem, wenn genügend zeitliche Reserve eingeplant ist, bevor T1 durchschaltet.

Ob R3 sinnvoll ist, muss im Einzelfall geprüft werden. Wenn RL niederohmig ist, muss R3 ebenfalls entsprechend niederohmig sein. Dabei wird die Verlustleistung in R3 relativ groß und das Bauteil großvolumig/teuer. Die Effekte durch Prellen beim Abschalten bestehen weiterhin.

Fazit

Aufgrund der Prell-Problematik sollte ausführlich bewertet werden, ob die Schaltung ohne weitere Maßnahmen eingesetzt werden kann, wenn die Zuleitung direkt mechanisch geschaltet wird (hier über S1). Unproblematisch ist der Einsatz, wenn die Versorgungsspannung immer fest anliegt und T1 zum Ein-/Ausschalten des Gerätes genutzt wird. Bei der Schaltung, von welcher die gezeigten Messergebnisse stammen, ist der Source-Anschluss von T1 direkt mit einem fest verbauten Akku verbunden. Das Gate von T1 wird mit einem On/Off-Controller (STM6600) angesteuert. Die Strombegrenzung ist notwendig, da ohne Begrenzung die verbaute 250 mA Sicherung beim Einschalten überlastet wird.

Zusammenfassung


Checkliste